Ein Dorf schreibt Dorfgeschichte(n): Jerxen-Orbke in Lippe

Annette Heuwinkel-Otter, Wolfgang Schwesig, Heimatverein Jerxen-Orbke

Lippischer Heimatbund e.V., Detmold, 2014

ISBN 978-39411726-34-5, Euro 18,90

 

Internetergänzungen zum Buch sind im Buch wie auch hier mit einem (I) gekennzeichnet. Zusätzliche Informationen haben keine Kennzeichnung. Detailierte Quellenangaben finden sich im Buch auf den Serviceseiten (S. 186 ff). Die Informationen im Internet werden nach und nach ergänzt, so dass es immer wieder lohnt die Homepage vom Heimatverein Jerxen-Orbke zu besuchen. Verantwortlich für die derzeitigen Internetergänzungen: Annette Heuwinkel-Otter, Mai 2014

 

Seite 17 „Teutoburgerwald, Senne und Köterberg geschichtsträchtig und sagenumwoben“ (I)

„Vor langer Zeit hütete einmal ein Schäfer auf dem Köterberg friedlich seine Schafe. Als er sich umwandte, stand ein schönes Königsfräulein vor ihm und sprach: „Nimm die Springwurzel und folge mir nach!“ Die Springwurzel erhält man dadurch, dass man einem Grünspecht das Nest zukeilt. Sobald der Vogel das bemerkt, fliegt er fort und weiß die wunderbare Wurzel zu finden, die ein Mensch noch immer vergeblich gesucht hat. Er bringt sie im Schnabel und will sein Nest damit wieder öffnen, denn hält er sie vor den Holzkeil, so springt dieser heraus. Macht man nun Lärm, wenn der Specht herankommt, so lässt er die Wurzel erschreckt fallen.

Der Schäfer ließ seine Schafe allein und folgte der Königstochter nach. Sie führte ihn durch eine Höhle in den Berg hinein. Kamen sie zu einer Tür, so musste er die Wurzel vorhalten, und alsbald sprang die Tür krachend auf. So kamen sie bis mitten in den Berg. Da war ringsum in Körben Gold und Silber aufgehäuft, und die Königstochter sprach zu dem Schäfer: „Nimm dir, so viel du willst!“ Er griff in die Körbe und füllte seine Taschen. Als er nun reich beladen wieder fortgehen wollte, sprach sie zu ihm: „Vergiss aber das Beste nicht!“ Er meinte nicht anders, als wären das die Schätze, und glaubte sich gut versorgt zu haben.

Aber es war die Springwurzel, die er auf einen Tisch gelegt hatte. Als er nun ohne die Wurzel hinaustrat, schlug das Tor mit lautem Schall nahe hinter ihm zu, so dass es ihn fast an der Hacke verwundet hätte. Die großen Reichtümer brachte er glücklich nach Hause, aber den Eingang konnte er nicht wiederfinden.“ (www.kinder-lippe.de)

 

Seite 19 „Erste Ideen für ein Hermannsdenkmal“ (I)

Bereits im 16. Jahrh. war die Figur Hermanns des Cheruskers im deutschen Sprachraum sehr populär. Es gab Arminiusromane und zahlreiche Gemälde zum Thema. Der Landgraf Friedrich V. von Hessen-Homburg (* 30.1.1748 Homburg vor der Höhe, † 20.1.1820 ebenda) plante wohl als erster seit 1782 die Errichtung eines Hermanns-Denkmals. Der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock (* 2. Juli 1724 in Quedlinburg; † 14. März 1803 in Hamburg) unterstützte ihn und verfasste die Inschriften. Wegen der Napoleonischen Kriege und allgemeinen Geldmangels kam die Idee nicht zur Ausführung. Auch der Entwurf für ein Hermannsdenkmal auf einem Tor in Bogenformen, aus dem Jahre 1823 von Wilhelm Tappe (* 1769 in Lüdenscheid; † 1823 in Dortmund) wurde nie realisiert. Fürstin Pauline hatte ihn zum Landbaumeister in Lippe berufen. Er war von 1813 bis 1819 in Detmold tätig.

Und – es gibt noch mehr „Hermänner“

Auf Initiative deutscher Auswanderer entstand 1897 in New Ulm, Minnesota USA, das Hermann Heights Monument. Es ist dem Bandel Denkmal ähnlich (besteigbar, runder Unterbau mit Figur) aber erheblich kleiner (31 m hoch). 1997 feierte das Denkmal seinen 100. Geburtstag mit einem großen Volksfest, an dem auch eine Delegation aus Lippe teilnahm.

Seit 1909 steht eine kleine Hermannsfigur auf dem Dach eines Jugendstilhauses in Paderborn an der Detmolder Straße. Die Figur blickt nicht nach Westen, sondern nach Nordosten, zu dem rund 25 km entfernten Original.

Ein kleiner Nachbau des Detmolder Denkmals befindet sich im Miniatur-Wunderland in Hamburg, in dem Örtchen Hermannsdorf.

Zwei von dem Detmolder Wilhelm Albeke angefertigten „Mini-Hermann“ stehen in Berlin. Ein Exemplar in der Siegessäule (erbaut 1864 bis 1873), in der sich eine Ausstellung von Miniaturdenkmälern befindet, ein weiteres erhielt der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder am 1. Feb. 2000 in Schloss Brake für das Bundeskanzleramt überreicht (LZ, Nr. 294, 18 Dez. 2000).

 

Seite 21 „Der Hermann – So sieht er aus und entwickelt sich“ (I)

Passend zur Hermanns-Schlacht entstand das bekannte Lied „Als die Römer frech geworden.“ Der Text stammt von Josef Viktor von Scheffel, Schriftsteller, Dichter und Autor (* 16. Feb. 1826 in Karlsruhe; † 9. April 1886 ebenda). Erstmalig veröffentlicht wurde das Lied 1848 in der Satirezeitschrift „Fliegende Blätter“, 1867 in seinem Gedichtband „Gaudeamus (lat.: Lasst uns fröhlich sein), Lieder aus dem Engeren und Weiteren“. Die Melodie ist eine Variation eines bekannten Festmarsches. Ein lustig abgewandelter Text begleitete als Triumphlied die Errichtung des Hermanndenkmals.

 

„Als die Römer frech geworden“ 13 (im Orginaltext von Josef Viktor von Scheffel) bzw. 14 Strophen (im abgewandelten Text).

Orginaltext

Abgewandelte Fassung

1. Als die Römer frech geworden,
Zogen sie nach Deutschlands Norden,
Vorne beim Trompetenschall
Ritt der Generalfeldmarschall,
Herr Quinctilius Varus.

Als die Römer frech geworden,
Sim serim sim sim sim sim,
Zogen sie nach Deutschlands Norden,
Sim serim sim sim sim sim,
Vorne mit Trompetenschall,
Te rä tä tä tä te rä,
Ritt der Generalfeldmarschall,
Te rä tä tä tä te rä,
Herr Quintilius Varus, 

Wau, wau, wau, wau, wau,
Herr Quintilius Varus,
|: Schnäde räng täng :|
Schnäde räng täng, de räng täng täng 

2. Doch im Teutoburger Walde,
Huh, wie pfiff der Wind so kalte;
Raben flogen durch die Luft
Und es war ein Moderduft
Wie von Blut und Leichen.

2. In dem Teutoburger Walde,
Huh! Wie pfiff der Wind so kalte,
Raben folgen durch die Luft,
Und es war ein Moderduft,
Wie von Blut und Leichen,

3. Plötzlich aus des Waldes Duster
Brachen krampfhaft die Cherusker;
Mit Gott für Fürst und Vaterland
Stürmten sie von Wut entbrannt
Gegen die Legionen.

3. Plötzlich aus des Waldes Duster
Brachen kampfhaft die Cherusker,
Mit Gott für Fürst und Vaterland
Stürzten sie sich wutentbrannt
Auf die Legionen.

4. Weh! das ward ein großes Morden.
Sie erschlugen die Cohorten;
Nur die römische Reiterei
Rettete sich noch ins Frei‘,
Denn sie war zu Pferde.

4. Weh, das ward ein großer Morden,
Sie schlugen die Kohorten,
Nur die röm‘sche Reiterei
Rettete sich noch ins Frei‘,
Denn sie war zu Pferde.

5. O Quinctili! armer Feldherr!
Dachtest du, dass so die Welt wär?
Er geriet in einen Sumpf,
Verlor zwei Stiefel und einen Strumpf
Und blieb elend stecken

5. O Quintili, armer Feldherr,
Dachtest du, daß so die Welt wär‘?
Er geriet in einen Sumpf,
Verlor zwei Stiefel und einen Strumpf
Und blieb elend stecken.

6. Da sprach er voll Aergernussen
Zum Centurio Titiussen:
„Kamerade, zeuch dein Schwert hervor
Und von hinten mich durchbohr,
Da doch alles futsch ist.“

6. Da sprach er voll Ärgernussen
Zum Centurio Titiussen:
„Kam‘rad, zeuch dein Schwert hervor
Und von hinten mich durchbohr,
Da doch alles futsch ist.“

7. In dem armen römischen Heere
Diente auch als Volontaire
Scävola, ein Rechtscandidat,
Den man schnöd gefangen hat,
Wie die Andern Alle.

7. In dem armen röm‘schen Heere
Diente auch als volontäre
Scävola, ein Rechtskandidat,
Den man schnöd gefangen hat,
Wie die andern all.

8. Diesem ist es schlimm ergangen;
Eh daß man ihn aufgehangen
Stach man ihn durch Zung‘ und Herz,
Nagelte ihn hinterwärts
Auf sein Corpus Juris.

8. Diesem ist es schlimm ergangen,
Eh daß man ihn aufgehangen,
Stach man ihm durch Zung und Herz,
Nagelte ihn hinterwärts
Auf sein corpus iuris

9. Als die Waldschlacht war zu Ende,
Rieb Fürst Hermann sich die Hände
Und um seinen Sieg zu weih‘n
Lud er die Cherusker ein
Zu ‚nem großen Frühstück.

9. Als die Waldschlacht war zu Ende,
Rieb Fürst Hermann sich die Hände,
Und um seinen Sieg zu weih‘n,
Lud er die Cherusker ein
Zu ‚nem großen Frühstück.  

10. Nur in Rom war man nicht heiter,
Sondern kaufte Trauerkleider.
Grade als beim Mittagmahl
Augustus saß im Kaisersaal,
Kam die Trauerbotschaft.

10. Hu, da gab‘s westfäl‘schen Schinken,
Bier, soviel man wollte trinken;
Auch im Zechen blieb er Held,
Doch auch seine Frau Thusneld
Trank walkürenmäßig. 

11. Erst blieb ihm vor jähem Schrecken
Ein Stück Pfau im Halse stecken,
Dann gerieth er außer sich
Und schrie: „Varus, Fluch auf dich!
Redde legiones!“

11. Nur in Rom war man nicht heiter,
Sondern kaufte Trauerkleider;
G‘rade als beim Mittagsmahl
Augustus saß im Kaisersaal,
Kam die Trauerbotschaft. 

12. Sein deutscher Sclave, Schmidt geheißen,
Dacht‘: „Ihn soll das Mäusle beißen,
Wenn er sie je wieder kriegt,
Denn wer einmal todt da liegt,
Wird nicht mehr lebendig.“

12. Erst blieb ihm vor jähem Schrecken
Ein Stück Pfau im Halse stecken,
Dann geriet er außer sich
Und schrie: „Varus, Fluch auf dich,
Redde legiones!“ 

13. Nun zu Ehren der Geschichten
Will ein Denkmal man errichten,
Schon steht das Piedestal,
Doch wer die Statue bezahl‘
Weiß nur Gott im Himmel.

13. Sein deutscher Sklave, Schmidt geheißen,
Dacht‘: Ihn soll das Mäusle beißen,
Wenn er sie je wieder kriegt,
Denn wer einmal tot daliegt,
Wird nicht mehr lebendig. 

 

14. Und zu Ehren der Geschichten
Tat ein Denkmal man errichten,
Deutschlands Kraft und Einigkeit
Kündet es jetzt weit und breit:
„Mögen sie nur kommen!“
Deutschlands Kraft und Einigkeit
Kündet es jetzt weit und breit:
„Mögen sie nur kommen!“

 

Seite 23 „Erforscher und Dichter der lippischen Mundart“ (I)

Ein Lobgedicht auf das Lipperland in Lippisch Platt schrieb der Autor Wilhelm Linnemann (* 30. April 1912 in Bad Salzuflen-Ehrsen). Hier ist es auf Hochdeutsch nachzulesen.

 

 

Orginaltext in Lippisch Platt

Text auf Hochdeutsch

 

Lipperland, we bist diu scheun

Der Teutoburger Wauldet Höchten un de groine Weserstrand,

sind de Schnot von munier Heume, van denm scheunen Lipperland.

De wunnerscheunen Kinnerdage, eune geoe Jugendtuti,

hast diu Heume mui eunst giewen, we liggt düss Tuit seo wuit.

We dui kinnt kann mui versthon: Lipperland we bist diu scheun!“

 

Un wenn an’n Obendheben boben glitzert Sterne eohne Thal,

velle Lechter mui dann gruißet, van den Bergen iut den Dal.

De witten Nielelschleier stuiget iut den Wiesen hür un dor,

un de runde Mond an’n Heben, schint seo wunnerbor un klor.

We dui kinnt kann mui versthon: Lipperland we bist diu scheun!“

 

Doch mott eck eunst denn Afscheud niehmen un de Herrgott rögt mui af, well nicht klagen eck un gruinen wuil eck nich mahr bluiwen draf.

Dann mg de Herrgott suinen Segen giewen dui muin’n Lipperland, un duine Sproke foiderlieben, dür den Mund, van Hand teo Hand.

We dui kinnt kann mui versthon: Lipperland we bist diu scheun!“

Lipperland wie bist du schön,

die Höhen des Teutoburger Wald und der grüne Westerstand,

sind die Grenze von meiner Heimat, von dem schönen Lipperland.

Die wunderschönen Kindertage, eine gute Jugendzeit,

hast du Heimat mir einst gegeben, wie liegt diese Zeit so weit.

Wer Dich kennt kann mich verstehen; Lipperland wie bist Du schön!“

 

Und wenn an dem Abendhimmel glitzert Sterne ohne Zahl,

viele Lichter mich dann grüßen, von den Bergen aus dem Tal.

Der weißen Nebelschleier steigen aus den Wiesen hier und da,

und der runde Mond am Himmel scheint so wunderbar und klar,

Wer Dich kennt kann mich verstehen; Lipperland wie bist Du schön!“

 

Doch muss ich einst denn Abscheid nehmen und der Herrgott ruft mich ab, will nicht klagen ich und stöhnen weil ich nicht mehr bleiben darf.

Dann mag der Herrgott seinen Segen geben, du mein Lipperland, und deine Sprache weiterleben, durch den Mund, von Hand zu Hand.

Wer Dich kennt kann mich verstehen; Lipperland wie bist Du schön!“

 

Seite 23 „Kartoffeln und Pickert“

Kartoffelzucht

Wilfried Paulsen (* 31. Juli 1828 auf Gut Nassengrund bei Blomberg; † 2. Feb. 1901 ebenda) war ein bekannter Kartoffelzüchter. Sein Vater hatte 1846 die Zucht begonnenen. 1864 gelang Wilfried die Aufzucht von Sämlingen aus Selbstbefruchtung. Die erste neue Sorte hieß „Erste von Nassengrund“. Die krebsresistente, sehr frühreifende Speisekartoffel „Paulsens Juli“ gehörte für Jahrzehnte zu den bekanntesten Sorten in Deutschland. Aufgrund der exakten Prüfung und der Lieferung von bestem Pflanzgut erlangte sein Unternehmen Weltruf. Paulsen veröffentlichte mehrfach in Fachzeitschriften, u.a. in der „Deutschen Landwirtschaftlichen Presse“. Für seine Verdienste als Pionier der deutschen Kartoffelzüchtung verlieh ihm die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft 1894 die Große Silberne Preismedaille. 1895 wurde er zum Ökonomierat ernannt (Staercke, 1936, S. 345 ff).

 

Seite 34 „Zwangsarbeiter und Flüchtlinge“

Nazizeit in Lippe – Lager in Augustdorf

In Augustdorf gab es zwei große Lager. 1941 entstand in Stukenbrock-Senne das Stammlager (Stalag) 326. Ab 1942 diente es der Internierung von russischen, ab 1942 auch von polnischen, serbischen und französischen, ab 1943 auch von italienischen Gefangenen. Bis Kriegsende durchliefen etwa 300.000 Soldaten das Lager. Bis zur Befreiung kamen hier etwa 65.000 (Zahl ungesichert) vorwiegend sowjetische Kriegsgefangene ums Leben. Die Inhaftierung erfolgte unter sehr schlechten hygienischen Bedingungen, teilweise lebten die Gefangenen in selbst gegrabenen Erdhöhlen. Im Lager „Staumühle“, das schon seit dem 1. Weltkrieg bestand, waren ab 1941 ebenfalls überwiegend sowjetische Kriegsgefangene untergebracht. Die Gefangenen hatten Arbeitseinsätze im Raum Ostwestfalen-Lippe und im Ruhrbergbau zu leisten (Jacobmeyer, 1985; Hüser und Otto, 1992). In Bielefeld arbeiten viele bei den Krupp-Werken, ein damaliger wichtiger Rüstungslieferant. Die zur Arbeit in Fabriken herangezogen Gefangen erhielten für ihre Leistung kein Geld, sondern mussten gegen Kost und Logie arbeiten.

Im Mai 1945, lösten die britischen Truppen die Kriegsgefangenenlager in Augustdorf auf. „Staumühle“ wurde ein Lager für Displaced Persons (DP; engl. für eine „Person, die nicht an diesem Ort beheimatet ist“). Anschließend funktionierte die Briten das Lager als sog. „Civil Internment Camp No. 5“ zu ihrem größten Internierungslager um, für mutmaßliche Kriegsverbrecher, Funktionäre der NSDAP und staatliche Funktionsträger. Zeitweise waren bis zu 12.000 Männer und Frauen untergebracht. Im Frühjahr 1946 wurde ein Sonderlager für 370 hohe NS-Funktionäre und Personen eingerichtet, die vom Nürnberger Militärtribunal angefordert worden waren, unter ihnen Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. 1948 wurde das Internierungslager aufgelöst. Heute befindet sich hier die Justizvollzugsanstalt Hövelhof.

 

Seite 39 „Leinen und Pferde“ (I)

Um 1825 wurden verstärkt mechanische Webstühle eingeführt, vor allem aus England. Die Aufträge für die Spinnereien ließen nach. Carl David Weber (* 17. April 1824 in Bielefeld; † 21. Juli 1907) ließ sich durch den Niedergang des Spinngewerbes nicht beeindrucken. Mit 26 Jahren zog er 1850 nach Oerlinghausen und gründete eine große Weberei (Detmolder Straße 6 und 10). Das Oerlinghausen Leinen erlebte eine neue Blütezeit, obwohl es teurer als das maschinengewebte Material war. Weber hatte mit seiner Frau Marianne Elenore, geb. Niemann, fünf Kinder. 1857 nahm er seine Schwiegersohn Bruno Müller als Teilhaber in die Firma auf (wohnte in der Detmolder Str. 22). Der einzige Sohn von Carl David Weber war Carl Weber. Er trat 1883 in die Firma als Teilhaber ein. Die Produktion vergrößerte sich beständig. Die Söhne von Bruno Müller, Georg und Richard, traten nach 1900 beide in die Firma ein. 1903 begannen sie mit dem Bau der mechanischen Weberei (heute: Firma Oetker). In ihr sollten Leinen und Halbleinen hergestellt werden. 1910 entstand ein Werk in Pivitsheide und später noch weitere Werke. Produziert wurden vor allem Taschentücher und Damastwäsche. Um 1936 waren ca. 1.000 Personen bei der Firma „Carl Weber & Co“ beschäftigt (Staercke, 1936, S. 334 ff).

In Bielefeld entstand 1857 die „Ravensberger Spinnerei“, ein Gemeinschaftsunternehmen der Bielefelder Kaufleute. Heute erinnert das Leinenweberdenkmal „Der Kiepenkerl“ auf dem Altstädter Kirchplatz noch an diese Zeit. Auch in Lemgo und den umliegenden Dörfern (Meierberg, Goldbeck, Steinegge und Linderbruch) war die Handweberei und später die mechanische Weberei, eingeführt 1887 durch Christoph Wilhelm Kracht(* 1811; † 1902), und seinen Sohn Paul, eine wichtige Erwerbsquelle. Durch die zunehmende Einführung der industriellen Fertigung von Textilen in den großen dampfbetriebenen Spinnereien und Webereien verloren allerdings immer mehr Menschen ihre Arbeitsplätze. Die Leinenweberzunft ging ein.

 

Seite 43 „Zucker und Stärke“ (I)

Hoffmann’s Speisestärke

hoffmanns

Heinrich Salomon Hoffmann begann mit einem Arbeiter (Heinrich Bröker), einer Dampfmaschine und einem Göpelpferd (Antrieb des Göpelwerks durch Muskelkraft, i.d.R. durch im Kreis herumtreiben). Schnell stellte er sieben weitere Arbeiter ein, stellte auf Weizenstärke um und zog in ein kleines Wohnhauses am Fabrikgelände. Hoffmann starb und hinterließ seine Ehefrau Friederike (* 1806; † 1882) und vier Kinder. Sein vierter Sohn, erst zwanzigjährig, Eduard Hofmann (* 12. Sep. 1832; † 16. Dez. 1894), übernahm den Betrieb und entwickelte ihn in wenigen Jahren zu einem Großbetrieb, dem eine Kartonagen- und Pappenfabrik angegliedert wurde. Es gab Werk- und Dienstwohnungen, eine Konsumanstalt für den täglichen Einkaufsbedarf, einen Werksgesangverein, eine Werkskapelle, ein Werksbibliothek und weitere Einrichtungen für die Angestellten und Arbeiter. Um die Jahrhundertwende waren ca. 1.200 Mitarbeiter beschäftigte. 1981 übernahm die Ciba-Geigy AG aus Basel die Aktienmehrheit. 1985 Übernahme der Aktienmehrheit durch das englische Unternehmen Reckitt & Colman. Sie stellte die Produktion 1990 ein. Bis zur Schließung des Standorts wurden im Bereich der Chemie- und Lebensmittelindustrie hauptsächlich Wäsche- und Speisestärke hergestellt bzw. verfeinert. 2000 Eröffnung der ersten Ausstellung zur Firmengeschichte der Hoffmann’s Stärkefabriken anlässlich des 150. Jahrestages ihrer Gründung, Verschmelzung von Reckitt &Coleman und Benckiser Deutschland. Der Hauptsitz des weltweit agierenden Reinigungsmittelherstellers Reckitt Benckiser befindet sich westlich von London, in Slough. Der deutsche Unternehmenssitz ist in Mannheim. Die Unternehmerfamilie Reimann hält 15% der Aktienanteile. Sie gehört zu den reichsten Familien in Deutschland, 2012 Platz vier. 2003 wird der Fleckenentferner „Vanish“ eingeführt, 2005„Flizz Bügel Leicht Spüler“, 2006 „Textilfrisch“. In dem Jahr feierte HOFFMANNS sein 160-jähriges Jubiläum. 2010 wird die Marke mit einem überarbeiteten Werbeauftritt, neuem Verpackungsdesign und einer ersten eigenen Website auf dem Markt positioniert. Die weiße Katze ist als Markenzeichen geblieben. Nur wenige Industrieunternehmen dieser Größe haben verfügen über so einen langen Zeitraum über eine so umfassende Quellenüberlieferung. Detaillierte Informationen über die Entwicklung der Stärkefabriken vermitteln u.a. die lückenlos vorliegenden Aufsichtsrats-Protokolle für die Jahre 1887 bis 1972. Wer Lust hat sich hier zu vertiefen wird genügend Material finden.

 

Seite 47 „Druckerei und Papierhandel“ (I)

Druckerei Klingenberg und die Zigarrenproduktion in Lippe

1865 bemühte sich in Detmold der gelernte Kaufmann Wilhelm Klingenberg um eine Konzession zur Errichtung einer Buch-, Kunst- und Musikalienhandlung, die er 1868 Ecke Lange Straße/Exterstraße eröffnete. Das waren die Anfänge eines Weltunternehmens. Klingenberg vergrößerte sich rasant betrieb farbigen Buchdruck und eine Etikettenfabrikation im großen Stil, z.B. Etiketten für „Hoffmanns Stärkefabriken“, für die „Pecher Keksfabrik“ und für Zigarrenfabriken wie „Brüggemeyer“ in Detmold (Staercke, 1936, S. 351 f).

In der damaligen Zeit florierte die Zigarrenindustrie. Bünde, 20 km nördlich von Bielefeld, war ein Zentrum der europäischen Zigarrenindustrie. Seit der Kommunalreform im Jahr 1970, gehört Bünde zum Kreis Herford und zum Regierungsbezirk Detmold. Im Jahr 1855 baute man die Eisenbahnlinie Osnabrück-Löhne. Das erleichterte den Transport des Rohtabaks, der damals vor allem aus den Niederlanden kam. So wuchs die Zigarrenindustrie rasant. Zeitweise hatten über 20 Zigarrenfabriken ihren Sitz in Bünde. 1864 waren in den Fabriken ca. 1.000 Ansässige und ca. 2.000 Menschen aus den umliegenden Dörfern beschäftigt. Da der Bedarf zunahm wurden die Zigarren oft in Heimarbeit gerollt. Es wurden 100 Mio. Zigarren hergestellt, für 1.000 Stück erhielten die Arbeiter 1,5 bis 3,5 Taler. Noch heute ist Bünde als „Zigarrenstadt“ bekannt (Gerbode et al, 1997, S. 67).

Um 1870 gab es in Oerlinghausen an der Detmolder Straße vier Zigarrenfabriken, die bis zu 120 Arbeiter beschäftigten. Das heutige Restaurant „Altdeutsche Bierstuben“ an der „Hauptstraße 3“, war die erste Zigarrenbude in Oerlinghausen. Das Gebäude wurde 1791 von einem Leinenhändler gebaut und 1855 nach den Vorbildern aus Bünde in eine Zigarrenfabrik umgestaltet. In Lemgo gab es die Th. Schmidt GmbH & Co. (Teosko) Zigarrenfabriken. Sie produzierten u.a. die Patricier (auch mit „z“ geschrieben) Fehlfarben. Nr. 93. In einer Holzkiste waren 25 Stück die für 60 Pf. das Stück verkauft wurden. Die Druckerei Klingenberg produzierte die Zigarrenkistenausstattungen und die Bauchbinden für die Zigarren. Sie wurden zum Marktführer in Europa. Um 1960 ließ die Zigarrenproduktion nach, damit fehlten auch Aufträge für Klingenberg. Anfänglich konnte die Firma den Einbruch noch ausgleichen. 2002 musste die Druckerei aber aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben. Die Firmengebäude wurden abgerissen. Erhalten ist noch das „Haus Münsterberg“ (Hornsche Straße 38), eine Villa im Stil der Münchner Neorenaissance, benannt nach dem Kunstsammler, Kaufmann und Wissenschaftler Oskar Münsterberg. Oskar Münsterberg wurde 1865 in Danzig geboren. Er war ein Jude und kam 1886 als Direktor der Klingenbergschen Fabrik nach Detmold. 1886 kaufte er die von Johann Spieß (Ratsherr und Lackierer) im Jahr1840 erbaute Villa. Spieß hatte 1862 das Haus bereits an den Architekten Barkhausen verkauft. Münsterberg richtete die Villa in den Jahren 1888 bis 1890 mit Kunstwerken verschiedenster Kunstrichtungen, Epochen und Kulturen ein, die er von seinen Reisen mitbrachte. Mit seinen über 50 historischen Kunstwerken, z.B. Deckengemälde, barocke Holztüren, kunstgeschmiedete Schlossbeschläge, Delfter Kacheln, orientalische Fliesenteppiche, eine maurische Gebetsnische, ist das Haus ein Musterbeispiel der Wohnkultur eines wohlhabenden Bürgers der Gründerzeit. Münsterberg selbst wohnte mit seiner Familie in der Villa, bis er Detmold 1896 wieder verließ. Seine Erben vermieteten die Villa an das Lippische Landeskonservatorium, das hier 1917 seine Arbeit aufnahm. 1942 wurden die in die USA geflüchteten Kinder Münsterbergs enteignet. Das Rote Kreuz bezog das Haus bis es 1981 von der Stadt Detmold übernommen wurde – und für eine geänderte Straßenführung abgerissen werden sollte.1986 wurde die Villa auf das betreiben von Detmolder Bürgern um rund sieben Meter verschoben, damit die Straßenverbreiterung erfolgen konnte.

Den Namen Klingenberg trugen noch zwei andere Unternehmen in Deutschland, nämlich seit 1992 die Firma „Gebr. Klingenberg Buchkunst Leipzig GmbH“ und „Klingenberg Berlin GmbH“, die beide zur Gundlach-Gruppe gehörten (1847 gegründetes Unternehmen der Druck- und Verlagsbranche, Sitz in Bielefeld). Die Gundlach Holding GmbH & Co. KG verkaufte 2009 alle Geschäftsanteile an der Gebr. Klingenberg Buchkunst Leipzig GmbH an die Messedruck Leipzig GmbH. Damit trägt es nur noch eine Firma den Namen „Klingenberg Berlin“. Sie ist der Großformatdrucker in der Gundlach-Gruppe und fertigt vor allem Plakate an. In dieser Gruppe agieren selbständige Firmen, die in den Feldern Verpacken, Drucken und Verlegen tätig sind. Die 1847 gegründete Bielefelder Gundlach Gruppe produziert Etiketten, Tee-Umhüllungen, Haftetiketten, Shrinksleeves, Wrap-Arounds, Plakate und Mega Light Boards an den Standorten Oerlinghausen, Berlin, Mahlberg, Stuttgart und Dubai. In den Sparten regenerative Energie, Autos, Fahrrad und Sport werden 16 Fachzeitschriften, Bücher, Sportinformationen, Datenbanken sowie Radkarten und Geo- Informationen produziert und international vertrieben. Seit 2013 wurden die Aktivitäten auf den digitalen Mediensektor erweitert.

 

Seite 47 „Lampen und Möbel“ (I)

Die Firma Kotzold in Lemgo

Die Firma „Kotzold“ wurde von Liesel Kotzold, die 1944 nach Lemgo geflohen war, gegründet, 1945 meldete sie ihre Firma an und ihr Mann Günther, der aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, stieg in die Firma ein. 2003 meldete der Betrieb Insolvenz an. Kotzold und Staff arbeiten ab und zu zusammen. In dem Nachkriegsfilm „Nachtwachte“ aus dem Jahr 1949 und auf einem Werbeplakat dazu ist eine gemeinsam gefertigte Lampe zu sehen (Lampenschirm: Kotzold, Lampenfuß aus Schichtholz: Staff).

Möbel in Lippe

Als eine der ersten entstand in den 1890 Jahren die Möbelfabrik „Kopka“ in Herford. Es folgten 1893 die „Herz-Küchen“, von der Bautischlerei Heinrich Monke gegründet. Die Steinheimer Möbelwerke wurden berühmt für ihre teuren Stilmöbel und in Blomberg blühte die Sperrholz- und Stuhlproduktion. In Detmold bekannt war z.B. die „Möbelfabrik Carl Beneke“, 1816 von Christian Friedrich Benke in der Krummen Straße gegründet. Er fertigte für die Fürstin Pauline Kleiderschränke aus Eiche. Sein Sohn Carl Benke verlegte die Firma später in die Hornsche Straße 26, erhielt den Titel „Hoftischlermeister“ und nutzte als erster in Lippe in seiner Werkstatt Maschinen. Es gab die „Eichenmöbelfabrik Otto Gössling“, die Holzwarenfabrik Teutoburg, Tölle& Co., die Haushaltsgegenstände, Wasch- und Ablaufbretter herstellten „Julius Werthheim“, der mit In-und Ausländischen Hölzern und Furnieren handelte oder die Möbelfabrik „Herd“ an der Lageschen Straße, in der Nachbarschaft zu „Nolting“ Haus- und Gartentechnik.

 

Seite 51 „Herrschaftlicher Bauherr – Graf Friedrich Adolf“

Die ersten Bauten ließ der weitgereiste und kunstbegeisterte Graf Friedrich Adolf aufgrund der bestehenden Wohnungsnot in der Altstadt außerhalb der Stadtmauer errichten. 1708 erließ er das „Neustädter Privileg“, das erst 1745 aufgehoben wurde. Dieses sicherte bauwilligen Bürgern in der Neustadt kostenlose Baugrundstücke mit zwanzigjähriger Lastenfreiheit zu.

Gräfin Amalie (Mutter von Graf Friedrich Adolf), ließ 1695/96 eine Orangerie errichten (heute: Freilichtmuseum). 1709 schenke ihr Mann ihr ein Grundstück mit einem Krug. Sie nutzte den Bau für einen Brennereibetrieb. Das war die Geburtsstunde des „Neuen Krugs“, der heute noch als Gasthaus existiert. 1716 ließ sie ein „Lusthaus“, als einen weiteren Teil der barocken Neustadt bauen und gewann so mit der Brau- und Schankberechtigung eine erfreuliche Einnahmequelle (s.a. Landestheater Detmold).

Graf Friedrich Adolf war ebenfalls sehr aktiv. Er gründete eine eigene Soldatenkompanie (s. Lippische Schützen) ließ das Palais bauen und von 1701 bis 1704 einen ca. 2 km langen Wasserweg, den Friedrichstaler Kanal. Dieser sollte das Residenzschloss mit einem barocken Landsitz „Friedrichstal“, südlich von Detmold verbinden. Bereits nach knapp drei Jahren war der Kanal fertiggestellt. Hinter der dritten und letzten Schleuse (heute: „Obere Mühle“, 1752 erbaut) weitete sich der Kanal und umfloss kreisförmige eine runde Insel, bevor er in einer Bucht endete. Hier lag die quadratische Viertürmeinsel mit einer illusionären Wasserschlosskulisse. Von dem hier geplanten Schloss wurden nur vier Türme gebaut, daher auch der Name „Viertürmeinsel“. Der Kanal diente nur zum Vergnügen, für Lustfahrten mit Gondeln. An den Planungen und Bauten waren Spezialisten aus mehreren europäischen Ländern beteiligt, Franzosen, italienische Stuckateure, der niederländische Wasserbauexperte Hendrick Kock und Friedrich Adolf selbst.

In der barocken Gartenanlage Friedrichtal mit Wasserkünsten, Fontänen Blumenbeeten, Laubengängen und Steinskulpturen entstand ab 1705 eine prächtige Grotte, die „Löwengrotte“. Die Wände waren mit polierten Muschelschalen und Stuck verziert.

Die Kosten für den Bau und den Unterhalt von Friedrichstal waren verheerend. Einen Teil übernahm Friedrich Adolf selbst, dennoch legt er den Untertanen immer neue Steuern auf. Teilweise wurden die Bürger zur unentgeltlichen Arbeit gezwungen, bei Verfehlungen zog man grausam überhöhte Strafgelder ein. Zwei Männer, die einen kupfernen Hahn einer Fontäne stahlen, wurden im Dez. 1714 am Galgen auf der Jerxerheide hingerichtet.

 

Seite 52 „Lippes einzige regierende Fürstin – Fürstin Pauline“ (I)

Die „Fürstin Pauline Stiftung“ ist eine Stiftung des privaten Rechts mit Sitz in Detmold. Ihr Schwerpunkt liegt im Bereich der Jugend- und Altenhilfe. Sie unterhält heute etwa 15 Kindergärten und -tagesstätten im Bereich der Stadt Detmold, Lemgo und Bad Salzuflen. In der Jugendhilfe bietet sie mehrere Wohngruppen, ein Mutter-Kind-Haus, eine Akutaufnahme, mehrere Offene Ganztagsschulen und in der Altenbetreuung zwei Altenheime Tagespflege und Betreutes Wohnen an.

 

Seite 54 „Das Detmolder Krankenhaus“ (I)

Frauenheim und Petri-Stiftung

Dr. Justus Petri setzte sich neben seiner Tätigkeit als Leiter des Landeskrankenhauses Detmold ab 1891 für den Bau eines Entbindungsheimes ein. Er sammelte 31.000 Mark für die Realisierung des Plans und kaufte 1903 ein Grundstück gegenüber dem Landeskrankenhaus. Nach seinem Tod und nach dem 1. Weltkrieg führte sein Sohn, Dr. med. Walter Petri, sein Anliegen weiter. Im Sep. 1920 wurde das Heim fertig und seiner Bestimmung übergeben. Die Söhne des Geheimrats Petri, der Oberamtmann Clemens Petri und Dr. med. Walter Petri, gründeten im Juni 1920 eine gemeinnützige Stiftung. Die Rechtsfähigkeit wurde dem Frauenheim am 14. Juli 1920 vom lippischen Landespräsidenten Heinrich Drake verliehen. Viele Kinder, auch Jerxen-Orbker wurden hier geboren. Aufgrund des Geburtenrückgangs entschloss sich der damalige Vorstand 1971 das Frauenheim umzufunktionieren. Nach Verhandlungen mit der Lebenshilfe, wurde die Petri-Stiftung ein Wohnheim für behinderte Jugendliche und Erwachsene, die in den Werkstätten der Lebenshilfe tätig waren. Mit der Satzung vom 15. Feb. 1972 beschloss der Vorstand die Nutzungsänderung. Die Petri-Stiftung erhält seit einiger Zeit eine Zustiftung der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung, Kreisvereinigung Detmold e.V. und änderte deshalb seinen Namen in: „Petri-Stiftung Lebenshilfe Detmold“.

 

Seite 58 „Das Detmolder Landestheater“

Das Sommertheater

Das Sommertheater, welches heute zum Landestheater gehört, mit der Gaststätte „Neuer Krug“ hat eine besondere Geschichte. 1709 schenkt Graf Friedrich Adolph seiner Frau Amalie ein Grundstück am Kanal und eine Ermächtigungsurkunde, für den Bau eines Krugs. 1709/10 wurde das vermutlich bereits bestehende Gebäude um eine Brennerei und in den Jahren 1715/16 erweitert.

Gräfin Amalie verpachtete nach dem Tod ihres Ehemanns den Krug an David Topp aus Lemgo. Dieser musste ihn 1730 an den Regierungsrat Blume zur Schuldendeckung überschreiben. 1732 kaufte Graf Simon Henrich Adolf das Gebäude zurück. Bis 1852 bliebt es im Besitz des Hauses Lippe. Dann wurde es privatisiert. 1880 erwarb der Gastwirt Heinrich Dütemeyer den Krug. Er baute um und erweiterte den Krug. 1880 baute er eine Brauerei. 1889 ließ er den „Neuen Krug“ durch den Detmolder Baumeister Philipp Knollmann umbauen bzw. neu gestalten. Dabei blieben Teile eines älteren Baus im hinteren Bereich erhalten. 1893 entstand eine Bierhalle und 1898 das Sommertheater. In den nachfolgenden Jahrzehnten fungierte es als Theater, Kino („Regina“), Militärquartier, Diskothek und China-Restaurant. Schaut man auf dem Bürgersteig stehend auf das Sommertheater war links auf dem Gelände eine große Rollschuhbahn. 1993 war das Gebäude vom Verfall bedroht und sollte abgerissen werden. Engagierte Detmolder formierten sich zur der „Initiative Detmolder Sommertheater“. Die Schauspielerin Iris Berben übernahm die Schirmherrschaft, der bekannte Bühnenmeister Walter Huneke plante die Ausstattung des Theaters kostenlos. So gelang es das Sommertheater zu erhalten und 2003 wieder zu eröffnen.

 

Seite 58 „Das Freilichtmuseum“

Detmolds Freilichtmuseum, auf dem Gelände des ehemaligen fürstlichen Tiergartens, ist eines der bedeutendsten seiner Art in Europa und das größte in Deutschland. Es umfasst 90 Hektar Fläche und mehr als 100 historische Gebäude, die ständig erweitert werden. Das LWL-Freilichtmuseum Detmold wurde auf Initiative des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) gegründet, der auch als Träger fungiert. Der Beschluss dazu erfolgte am 22. Juli 1960, im Mai 1966, begannen die Bauarbeiten, am 7. Juli 1971 wurde das Museum eröffnet. Dargestellt werden sollte das bäuerliche Leben in den Jahren 1550 bis 1800. Pro Jahr besuchen etwa 200.000 Menschen das Museum. Erhalten ist das Krumme Haus“, ein Gebäude der von Gräfin Amalie errichten Orangerie (s. Herrschaftlicher Bauherr – Graf Friedrich Adolf). Heute beherbergt es den Sitz der Verwaltung des Freilichtmuseums.

Die Lippische Landesbibliothek Detmold

Als offizielles Gründungsdatum gilt das Jahr 1614. Der regierende Graf, Simon VII. zur Lippe, gründete die „Gräflich öffentliche Bibliothek“ in der Kirche des nach der Reformation aufgehobenen Augustinerinnen-Klosters zu Detmold. Sein Vater Simon VI. hatte mehr als 3.500 Bücher von 1567 an bis zu seinem Tode 1613 zusammengetragen. Diese übergab er der wenige Jahre zuvor ins Leben gerufenen Lateinschule als Schulbibliothek. Die Lateinschule, später Provinzialschule, ist die Vorgängerin des Gymnasium Leopoldinum. Die Bücher befassen sich mit Wissenschaften und Künsten u.a. Theologie, Geschichte, Politik, Rechtswissenschaft, Astronomie, Alchimie. Der älteste Katalog der Büchersammlung stammt aus dem Jahre 1597.

Fürstin Pauline ließ 1819 die Schulbibliothek mit anderen Büchersammlungen zu einer öffentlichen Bibliothek zusammenlegen. Daraus ging die Lippische Landesbibliothek hervor. Heute ist sie mit rund 500.000 Bänden eine der großen hochschulunabhängigen Bibliotheken in Deutschland. Sie dient der Forschung, der Lehre und dem Studium, der beruflichen Arbeit, der Fortbildung und der Information. Nationalen, z. T. sogar internationalen Ruf genießt das Lippische Literaturarchiv. Sie umfasst das Grabbe-Archiv, die Freiligrath-Sammlung, das Georg-Weerth-Archiv, die Bandel-Sammlung sowie die Musiksammlung mit dem Lortzing-Archiv. Angesichts erheblicher Kriegsverluste alter Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen ist der Altbestand des 15. bis 19. Jahrh., hier nahezu einmalig, da die Buchbestände vom Krieg verschont geblieben sind.

 

Seite 66: „Politiker und Unternehmer“ (I)

Walter Huneke (*1925 in Detmold; † 2003 in Bayreuth). Huneke verbrachte seine Kindheit der auf die damalige Klüterheide (heute: Jerxen, Klüterheide 6), gemeinsam mit seinen zehn Geschwistern. Er absolvierte eine Ausbildung zum Maurer bei Baumeister Wilhelm Carell in Detmold. Danach studierte er in Berlin-Neukölln an die Staatsbauschule. Nebenbei arbeitete er als Abendmaschinist am „Theater der Volkes“. Als Werksstudent arbeitete er bei mehren Filmgesellschaften, z.B. UFA, TERRA. Im Krieg wurde er 1944 schwer verletzt und kam in Dänemark in zuerst in englische später in amerikanische Kriegsgefangenschaft. 1945 erhielt er am Detmolder-Landestheater als Bühnenmeister eine Anstellung. Am 1. Sep. 1945 wurde das Theater geschlossen und diente der britischen Besatzung als Casino. Der Spielbetrieb ging im „Neuen Krug“ weiter ab 1. Nov. 1945 war Huneke hier tätig. Er wurde Technischer Leiter und bleib bis 1951 am Detmolder Theater. Anschließend absolvierte er seine Prüfung als Technischer Bühnenvorstand und arbeitete in Bremen, Ankara, Düsseldorf, Frankfurt/Main und München. 1966 riefen Wieland und Wolfgang Wagner ihn zu den Festspielen nach Bayreuth. 1976 zog er mit seiner Frau Elisabeth dort hin. Als Technischer Direktor trieb Huneke die Bühnentechnik maßgeblich voran. Er entwickelte Punktzüge, Effekte mit Nebel und Dampf, Drehscheiben, Hebe- und Versenkungsüberraschungen oder hydraulische Antriebe für Sonderdekorationen. Bei der Holländer-Inszenierung von Harry Kupfer im Jahr 1978 erfolgten z.B. 482 Einsätze, um die Dekorationen zu verändern. Einige seiner Erfindungen ließ Huneke sich patentieren. Zudem veröffentlichte er zahlreiche Artikel, war als Dozent tätig, engagierte sich als Vorsitzender in „Der Prüfstelle für technische Bühnenvorstände“, in der „Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft“ im Vorstand und war Mitbegründer des Seminars für Theatertechnik in Recklinghausen.

1981 beschlossen der inzwischen international anerkannte Theatertechniker Walter Huneke und der Dipl.-Ing. Walter Kottke ihre Zusammenarbeit 1988 gründeten sie ein gemeinsames Ingenieurbüro „Bühnenplanung Walter Hunke + Partner“. Nach 25jähriger Tätigkeit am Festspielhaus ging Huneke in den Ruhestand. Danach arbeitete er in seiner Firma, u.a. an folgenden Projekten: 1998 Themenplanung für die EXPO 2000, Akademie- und Burgtheater in Wien, Staatstheater und -oper in Berlin, Hamburg München und Stuttgart, Theater in Linz, Riad, Trier, Venedig. Er entwarf Pläne für Mehrzweckhallen und Kongresszentren (Kottke, 2003, S. 28 ff). 2002 beteiligte er sich am Erhalt und am Umbau des Detmolder-Sommertheaters. Sein Büro plante die Ausstattung kostenlos. Er sagte: „Bevor hier eine Mark falsch ausgegeben wird, kümmere ich mich als ehemaliger Detmolder lieber darum.“ (Lippische Landeszeitung, 2002, 30. Aug, Nr. 201, S. 9 u. 11). Für die Lichtregie schenkte er dem Theater Dimmerschränke von der Münchner Staatsoper. Kurz vor seinem Tod engagierte er sich nochmals für seine Heimat. Auf dem Friedhof an der Blomberger Straße ist er begraben. Seinen Nachlass verwaltet das Landesarchiv NRW in Detmold. Im Landesarchiv war vom 13. April bis 22. Mai 2013 die Ausstellung „Wagner Backstage – Die Technik der Bühnenillusion” zu sehen, ein Projekt von Musikwissenschaft-Studenten der Hochschule für Musik Detmold und der Universität Paderborn. Die Ausstellung ließ einen Blick hinter die Kulissen der Bayreuther Festspiele zu Hunekes Zeit zu und würdigte sein Lebenswerk.

Hunekes Firma wurde 2003 in "Bühnenplanung Walter Kottke Ingenieure GmbH" umgefirmt. 2004 traten Dipl.-Ing. (FH) Michael Kalus und Dipl.-Ing. (FH) Kurt Wagner als weitere Gesellschafter in die Firma ein. 2004 erfolgte eine Bürogründung in Berlin zur Auftragsabwicklung der Deutschen Oper, 2005 wurde ein Büro in Prag 2006 eines in Zürich und 2012 ein Büro in Moskau gegründet.

 

Seite 135 „Männer- und Frauenchor „Arion“ Jerxen-Orbke“

1891 berief der Schuhmachermeister Friedrich Mahlmann aus Orbke die Gründungssitzung für einen Männerchor Jerxen-Orbke ein. Die Chorleitung übernahm Heinrich Schacht, er war der erste Lehrer an der damaligen Jerxer Schule. Den Namen „Arion“ erhielt der Verein um die Jahrhundertwende, nach einem Dichter und Sänger des griechischen Altertums. Im 1. Weltkrieg und der nachfolgenden Weltwirtschaftskrise ruhte der Singbetrieb. 1926 wurde er durch Fritz Dreier und Ernst Klasing und 30 sangesfreudigen Männern wieder zum Leben erweckt. Der Chor ruhte auch im 2. Weltkrieg und wurde erneut 1947 durch Fritz Dreier belebt. 1949 schloss sich dem Männerchor ein Frauenchor an, dessen 1. Vorsitzende Gerda Grabbe war. Der von nun an gemischte Chor erhielt den oben genannten Namen. Die Vorsitzenden und Chorleiter sind im Buch „Jerxen-Orbke in Lippe“ lückenlos genannt. Hier folgt eine Aufzählung der langjährigen Vereinsmitglieder.

Aktive Mitglieder

Name

Geboren in

Vereinseintritt

Funktion/Aufgaben

Irmgard Mölling

1935, Detmold

01.01.1950

Wanderwartin mit Günter Mölling (20 Jahre)

Reinhard Gast jun.

1933, Detmold

01.01.1951

2. Vorsitzender 1974-2008 (34 Jahre)

Helmut Richter († 2014)

1938, Detmold

01.04.1958

1. Kassierer (20 Jahre) 2. Vorsitzender seit 2008

Walter Redeker

1934, Detmold

01.01.1958

1. Kassierer bis Feb. 2012 (25 Jahre)

Christa Gast

1934, Spork-Eichholz

01.01.1959

Viele Jahre Vorstandssprecherin des Frauenchores

Jürgen Porsch

1943, Soldau/Ostpreußen

01.01.1962

mehrere Jahre 2. Kassierer

Helga Redeker

1939, Detmold

01.01.1962

 

Margot Mack

1930, Jonsdorf/Sachsen

01.03.1963

 

Hans-Jürgen Grabbe

1941, Detmold

01.01.1966

1. Kassierer seit Feb. 2012, davor 2. Kassierer (10 Jahre)

Karl-Heinz Thiel

1939 Waldenburg/Schlesien

01.01.1968

 

passive Chormitglieder

Hannelore Dröge

1929, Detmold

09.02.1949

Gründungsmitglied des Frauenchores

Herbert Biere

1927, Detmold

01.01.1951

 

Günter Herrmann

1938, Lage

01.01.1957

 

Elfriede Reimann

1929, Detmold

01.02.1959

aktiv bis Jan. 2009, dann passives Mitglied

Friedel Schlichting

1938, Detmold

01.03.1963

 

Hans Meier

1939, Detmold

01.01.1966

 

Margarete Gehle

1927, Detmold

22.01.1968

aktiv bis 1999, dann passives Mitglied

 

Der Gesangverein „Arion“ war verantwortlich für viele Aktivitäten und Feste im Dorf. Er veranstaltete u.a. die bis heute legendären Brink-Hof-Feste, die sich über mehrere Tage erstreckten und hunderte von Besuchern, auch aus den Nachbarorten und Detmold anzogen. Nach wie vor aktiv ist der Verein aktiv, u.a. regelmäßige Auftritte anlässlich des Volkstrauertages, bei den Adventsgottesdiensten in der Pauluskirche und den Weihnachtsfeiern vom Roten Kreuz, Ständchen zu runden Geburtstagen, Goldenen Hochzeiten von aktiven Sänger/innen, Gestaltung von Konzerten oder Auftritte bei Veranstaltungen befreundeter Vereine.

 

Seite 140 SV „Eintracht“ Jerxen-Orbke von 1925 e.V.

Der Fußballverein Sportverein (SV) „Eintracht“ Jerxen-Orbke, wurde im Jahr 1925 in der Gaststätte Belfort gegründet. Zum 1. Vorsitzenden wurden Ewald Null, und „Blau-Weiß“ zur Vereinsfarbe gewählt. 1926 erstellen die Sportler in gemeinsamer Arbeit mir den Bauern Brinkmeyer (Jerxen) und Meierherm (Orbke) einen Sportplatz, neben der Grundschule Jerxen (heute: Oetternbachschule). 1930 bis 1936 turnt erstmals eine größere Damenriege, auf dem Saal von dem Gasthof „Belfort“. Zudem wurde Leichtathletik betrieben und fast bei jedem Sportfest Wettkämpfe ausgetragen. Neben dem Fußballverein entwickelten sich weitere Sportsparten. Durch den 2. Weltkrieg ruht der Spielbetrieb von 1940 bis 1945. Nach dem Krieg wird Erich Grote zum 1.Vorsitzenden gewählt. 1946 bis 1948 wurde der Sportplatz auf 100x60 m vergrößert. Die Einweihung erfolgt 1950 durch Bürgermeister Ernst Klasing und dem Vorsitzenden des SVE Heinrich Müller. Zu dieser Zeit gibt es eine Damenhandballmannschaft, zwei Senioren- und eine Jugendfußballmannschaft. Die Tischtennisabteilung befindet sich gerade in der Gründungsphase. 1959 wird der Sportplatz auf 106x76 m vergrößert. 1962 erhält die Jerxer Schule eine Turnhalle, so dass die Vereinsabteilungen der Halle trainieren können. 1967 gründet der SVE die erste lippische Damenfußballmannschaft und leistet damit Pionierarbeit. 1969 wird die Flutlichtanlage am Sportplatz installiert. 1990 brennt die Turnhalle ab. 1991 nimmt der Ortsteil nach zähen Verhandlungen mit den politisch Verantwortlichen der Stadt Detmold den Neubau einer Turn-und Mehrzweckhalle in Angriff und kann sie am 23. Mai 1992 einweihen. 2010 wurde eine 100 x 64 m große FIFA Kunstrasenspielfläche auf dem Sportplatz aufgebracht. Der Detmolder Stadtrat beschloss die entsprechenden Maßnahme und die notwendigen Geldmittel. 2011 konnten alle 15 Vereinsmannschaften des SVE gleichzeitig mit kompletten Trikotgarnituren ausgestattet werden. Die Jugendfußballsparte ist derzeit die erfolgreichste im Kreis Lippe.

 

Seite 145 „DRK Ortsverein Jerxen-Orbke“

Am 26. März 1939 erfolgt die Gründungsfeier der „DRK Ortsgemeinschaft“ in Jerxen-Orbke. Vorläufer der Ortsgemeinschaft waren der Vaterländische Frauenverein (1918 gegründet) und der Frauenverein, der bereits vor 1857 bestanden haben muss.

Die geschichtliche Entwicklung des Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Deutschland begann 1863 zeitgleich mit der Gründung des Internationalen Roten Kreuzes im Jahr 1863. Der Ideengeber dazu war Jean-Henri Dunant ein Schweizer Geschäftsmann. Die Entwicklung des DRK in Deutschland wurde durch die Nazis und durch den 2. Weltkrieg stark beeinflusst.

Daten

Entwicklung des Deutschen Roten Kreuzes in Deutschland

12. Nov. 1863

Gründung der ersten Rotkreuzgesellschaft in Deutschland „Der Württembergische Sanitätsverein“

11. Nov. 1866

Im deutsch-österreichischen Krieg entstehen zahlreiche Frauenvereine. Auf der Siegesfeier in Berlin übernimmt Königin Augusta von Preußen das Protektorat über den „Vaterländischen Frauenverein“, der die Frauenvereine unter dem Zeichen des Roten Kreuzes zusammenfasst.

25. Jan. 1921

Zusammenschluss aller deutschen Landesvereine und Landesfrauenvereine zum Deutschen Roten Kreuz e.V. mit Sitz in Berlin.

1933

Machtübernahme des DRKs von den Nationalsozialisten. Schrittweise Gleichschaltung und nationalsozialistische Umformung. Trotz massiver Eingriffe der Nationalsozialisten in die Strukturen des DRK gelang es ihnen nicht die Rotkreuz-Frauenvereine in der NS-Frauenschaft und die DRK-Schwesternschaften in die NS-Schwesternschaften zu integrieren.

9./27. Dez. 1937

Auflösung der Gliederungsstrukturen des DRK durch ein Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz und die Einführung einer neuen Satzung. Es folgt eine strikte hierarchische Gliederung nach dem „Führerprinzip“, die Organisation verliert alle Wohlfahrtseinrichtungen, das Jugendrotkeuz wird aufgelöst.

Jan. 1938

Satzung und Gesetz treten in Kraft; §1 besagt, dass das DRK e.V., der Reichsfrauenbund, die sonstigen Verbände, Vereine und Untergliederungen zu einer Einheit „Deutsches Rotes Kreuz“ zusammengeschlossen sind.

19./25. Sep. 1945

Auflösung des DRK durch die Alliierten

4. Febr. 1950

Neugründung des DRK auf dem Rittersturz in Koblenz, mit Dienstsitz in Bonn.

12. Febr. 2001

Umzug des Dienstsitzes von Bonn nach Berlin.

Jan. 2013

Die Organisation feierte ihr 150jähriges Bestehen in Berlin

 

Die Einflussnahme der Nationalsozialisten auf das DRK bekam auch die DRK-Ortsgruppe-Jerxen-Orbke zu spüren. Glücklicherweise erklärte sich Heinrich Richter aus Jerxen bereit die Leitung der DRK-Ortsgruppe zu übernehmen. Er leitete sie vom 26. März 1939 bis 14. Nov. 1940 und konnte so eine größere Einflussnahme der Nazis abmildern. Im und nach dem Krieg kümmerten sich die vorwiegend weiblichen Mitglieder, um Verwundeten-Hilfe, Fürsorge für Kriegsgefangene, Betreuung von Umsiedlern, Flüchtlingen und Soldaten. 1943 legte die Kreisstelle in Detmold die DRK-Ortsgruppe-Jerxen-Orbke still. Nach dem Krieg am 15. April 1947 rief Heinrich Richter eine Versammlung ein, um einen DRK-Ortsvereins zu gründen.  25 Mitglieder erschienen und wählten Frau Schliemann zur 1. Vorsitzenden. Die Vorsitzenden, auch vom Vaterländischen Frauenverein sind vollständig im Buch „Jerxen-Orbke in Lippe“ aufgeführt. In den Nachkriegsjahren sammelten die DRK-Mitglieder Geld- und Sachspenden und kümmerten sich um Kranke und Bedürftige im Dorf. Dann ging es aufwärts und der Ortsverein bot wieder Aktivitäten an. 1978 wurden ein Senioren-Kreis, eine Wander-, eine Gymnastik und eine Kegelgruppe gegründet. 1979 erhielt das DRK in der alten Schule einen Klassenraum für gesellige Nachmittage und Versammlungen. 1987 wurde Regina Büker 1. Vorsitzende. Ihre Amtszeit betrug 22 Jahre und endete 2009. Der Ortsverein verdankt ihr vielfältige Innovationen. Heute organisiert der DRK-Ortsverein Blutspende-Termine, Senioren- oder Klön-Nachmittage mit Kaffee und Kuchen, Basteln, Handarbeiten, Skat, Gesellschaftsspiele, Seniorengymnastik in der Turnhalle der Oetternbachschule, Frühstücksangebote, Weihnachtsbasare, Fahrten in die nähere Umgebung oder Kurzreisen.

 

Seite 151 Jagdgenossenschaft Jerxen-Orbke (I)

Die Jagdgenossenschaft Jerxen-Orbke existiert seit Einführung des Bundesjagdgesetzes (BJagdG, 1952) und des Landesjagdgesetzes NRW. Zur Zeit besteht sie aus neun Personen (Grundeigentümer, Landwirte) mit bejagbaren Flächen. Jagdvorsteher ist seit 1993 Rudolf Gehring. Davor waren Adolf Meierherm (Orbke Nr. 8) und davor August Brinkmeyer (Jerxen, Nr. 1). Vorsitzende. Gepachtete hat die Gemeindejagd, Dr. Manfred Schmidt aus Orbke. Das Jagen war schon immer üblich. Nach dem Salbuch 1770 war die Jagd in der Gemarkung Heiden, zu der auch Jerxen-Orbke gehörte, der Landesherrschaft vorbehalten. Die lippischen Grafen bzw. später Fürsten und die Gutsherren der Häusern Braunenbruch und Herberhausen jagten hier. Immer wieder führte das Jagdrecht, das dem normalen Volk vorenthalten war, zu Jagdstreitigkeiten (im Buch s. S. 168 „Jagen – Belagerung vom Ellernkrug“).

Heute muss ein Jäger eine Jägerprüfung (Jagdschein) ablegen und Kenntnisse über Tierarten, Wildbiologie, Wildhege, Jagdbetrieb, Wildschadenverhütung, Land- und Waldbau, Jagd- und Waffenrecht, Waffentechnik, Führen von Jagdhunden, Naturschutz, etc. nachweisen. Da natürliche Feinde in unserer Region i.d.R. fehlen, wird zu genehmigten Zeiten Wild geschossen. Außerdem kümmern Jäger sich um den Schutz der Natur, was dringend angesichts der Zahlen notwendig ist: Über zwei Drittel (72 %) aller vorkommenden Biotoptypen sind in Deutschland als gefährdet eingestuft. Tiere (nicht nur die Wildarten) und Pflanzen von vegetationsreichen Ufern, Sümpfen und Mooren sind besonders gefährdet („Rote Liste“ des Bundesamt für Naturschutz, BfN).

Wildarten in NRW, die laut BJagdG dem Jagdrecht unterliegen und somit rechtlich „Wild“ sind. Wildarten, die in Jerxen-Orbke leben, sind mit „x“ gekennzeichnet. Der Gefährdungsstatus nach der „Roten Liste“ (RL) ist z.T. angegeben.

Haarwild

in Jerxen-Orbke

Federwild

In Jerxen-Orbke

Rotwild

x

Rebhuhn

x n. d. RL gefährdet

Damwild

 

Fasan

x

Sikawild

 

 

 

Rehwild

x

Wachtel

Wachtelkönig stark gefährdet

Muffelwild

 

Auerwild

Vom Aussterben bedroht

Schwarzwild

x

Birkwild

 

Feldhase

x zu 80% in Deutschland ausgerottet

Rackelwild

 

Wildkaninchen

x

Haselwild

Stark gefährdet

Fuchs

x

Wildtruthuhn

 

Steinmader

 

Wild-, Ringel- und Türkentauben

x

Baummader

 

Höckerschwan

 

Iltis

 

Wildgänse

x

Hermelin

 

Wildenten, Stockenten

x

Mauswiesel

 

Säger

 

Dachs

 

Waldschnepfe

Auf d. Vorwarnliste d. RL

Fischotter

lebte am Oetternbach, seit 1572 nicht mehr

Blässhuhn

x

 

 

Haubentaucher

 

 

 

Großtrappe

 

 

 

Graureiher

x

 

 

Greife

 

 

 

Falken

x

 

 

Elstern

x

 

 

Rabenkrähen

 

In Jerxen-Orbke wurde der Wildbestand (vor allem Rehe, Hasen, Fasanen) in den letzten zwei Jahrzehnten auf Grund von Hegemaßnahmen und sehr vorsichtiger, eingeschränkter Bejagung ziemlich konstant gehalten. Leider machen Verkehrsverluste (überwiegend am Nordring) beim Rehwild etwa die Hälfte der Gesamtstrecke (getötete Tiere) aus. Auch Gewässerverschmutzungen, wie 2006 und 2012 am Oetternbach geschehen haben auf die Tierwelt entsprechende Auswirkungen (Im Buch s. S. 82).

 

Seite 163 „Flugtag auf der Jerxer Heide“

Die Flugzeuge

Wrigh-Zweidecker: Orville Wright (* 1871; † 1948) und Wilbur (* 1867; † 1912), die Söhne eines amerikanischen Bischofs, besaßen zuerst eine Druckerei und später eine Fahrrad-Reparaturwerkstätte in Dayton/Ohio. 1899 begannen sie mit dem Bau des ersten Flugapparates, eines Doppeldecker-Gleitapparats. Sie entwickelten den Apparat weiter und konnten am 17. Dez. 1903 mit dem ersten Motorflugzeug der Welt mit dem Namen „Flyer“ für 12 Sekunden fliegen. Sie ließen sich die Flugzeug-Steuerung patentieren und beantragten 1904 auch in Frankreich und Deutschland den Patenschutz. Schnell war die US-Army interessiert und kurze Zeit später viele andere Kriegsministerien. Die in Deutschland gegründete Firma war die erfolgreichste Filiale. Wilbur starb im Frühjahr 1912 an Typhus. Damit fehlte der konzeptionelle Kopf der Brüder. Orville beschäftigt sich weiter mit der Luftfahrt-Forschung bis zu seinem Tod. Eine weitere Erfindung mit weltweiter Anerkennung gelang ihm jedoch nicht.

„Rumpler-Taube“: zuerst „Etrich Taube“ genannt, da sie von Ignaz „Igo“ Etrich (* 25. Dez. 1879 in Ober Altstadt, Österreich-Ungarn; † 4. Febr. 1967 in Salzburg) einem österreichischen Piloten und Flugzeugkonstrukteur entwickelt wurde. 1909 stellt Etrich die „Etrich I“ fertig. Sie entstand durch den Umbau eines rumpflosen Gleiters. Das erst Mal flog sie am 29. Nov. 1909 über die gesamte Länge des Flugfeldes Wiener-Neustadt. Im Winter 1909/10 entstand die Etrich II „Taube“, ein Motorflugzeug mit Rumpf (Erstflug am 6. April 1910). Karl Illmer, ein Mitarbeiter Etrichs, gewann im Okt. 1910 mit einer „Taube“ den Preis für den ersten Flug von Wien nach Horn und zurück. Etrichs „Taube“ wurde in Österreich patentiert. Er schloss mit Dr. Edmund Rumpler einen Vertrag ab, der gegen Lizenzgebühr, das Flugzeug unter dem Namen „Etrich-Rumpler-Taube“ in Deutschland nachbauen durfte. Die Rumpler-Werke stellten nach kurzer Zeit die Lizenzzahlungen ein. Etrich strebte wegen des Ausbruchs des 1. Weltkriegs keine Klage an, sondern gab das Baumuster frei. Daraufhin bauten mehr als 40 Firmen Varianten dieses Typs unter eigenem Namen. Die „Taube“ wurde in Deutschland, Italien und Österreich-Ungarn eingesetzt (Klose/Riechert, 2006).